21.02.2013 | Texte & Aufrufe

Stellungnahme zu Adopt a Revolution

Von: Berliner Bündnis gegen Krieg und Militarisierung

Für internationale Solidarität – gegen jede Militärintervention in Syrien!

Die Initiative Adopt a Revolution existiert seit Herbst 2011. Unterstützt wird das Projekt unter anderem von medico international, den Lokalen Koordinierungskomitees (LCC), der Syrian Revolution General Commission (SRGC), der Union of Free Syrian Students (UFSS) und der Assembly Of Syrian Kurdish Youth Abroad (ASKYA). Adopt a Revolution sammelt Geldspenden für den unbewaffneten Widerstand in Form von »Revolutionspatenschaften«. Die Aufstandsbewegung gegen das Assad-Regime hatte anfänglich, wie andere Bewegungen des »arabischen Frühlings« auch, viele positive unterstützenswerte emanzipatorische Momente. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse in Syrien durch die zunehmende Militarisierung des Konflikts jedoch stark verändert.

Es gab in der Vergangenheit bereits einige kritische Positionierungen zu Adopt a Revolution unter anderem von der Informationsstelle Militarisierung und von AktivistInnen aus der Friedensbewegung. Einige Initiativen wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie haben ihre Unterstützung von Adopt a Revolution wieder zurückgezogen. Dennoch wird die Initiative Adopt a Revolution von vielen linken AktivistInnen zum Teil weiterhin völlig unkritisch gesehen. Als Berliner Bündnis gegen Krieg und Militarisierung haben wir uns entschlossen, eindeutig Stellung zu beziehen gegen das Projekt Adopt a Revolution. Aus einer linken und antimilitaristischen Perspektive betrachtet, ist diese Initiative abzulehnen, da sie eng verwoben ist mit Personen, die keine klare Position gegen eine militärische Intervention beziehen oder sie sogar ausdrücklich befürworten und die mit den herrschenden Eliten hierzulande keinerlei Berührungsängste haben, obgleich genau diese Eliten intensiv an der Unterwerfung Syriens unter ihre Interessen arbeiten. Im Folgenden wollen wir unsere Kritik an Adopt a Revolution darlegen und aufzeigen auf welche Grundlagen sich unser Begriff von internationaler Solidarität bezieht.

Als Kritikpunkt an Adopt a Revolution wird von pazifistischen Initiativen vor allem die Zusammenarbeit der friedlichen lokalen Komitees mit bewaffneten Organisationen wie der Freien Syrischen Armee genannt. Da es keine klare Grenzziehung zwischen den gewaltfreien Gruppen und den bewaffneten Kräften gibt, haben pazifistische Organisationen wie das Komitee für Grundrechte und Demokratie ihre Unterstützung für Adopt a Revolution mittlerweile beendet [1]. Wir kritisieren Adopt a Revolution jedoch nicht von einem pazifistischen Standpunkt aus. Ob die Opposition gewaltfrei oder bewaffnet kämpft, ist für uns nicht entscheidend, schließlich gehen wir davon aus, dass eine gesellschaftliche Umwälzung auch revolutionärer Gewalt bedarf. Allerdings sind Massaker, Lynchmorde, Verstümmelung des Gegners und Folter keine Mittel revolutionärer Gewalt, sondern nur verabscheuungswürdig. Unsere Kritik setzt an den politischen Inhalten und Zielen an, die von bestimmten oppositionellen Kräften vertreten werden. Einige der politischen Kräfte und Einzelpersonen mit denen Adopt a Revolution zusammenarbeitet, haben mit einer linken und emanzipatorischen Perspektive nichts zu tun.

Im Beirat von Adopt a Revolution sitzt beispielsweise Ferhad Ahma, Koordinator von ASKYA und ehemaliges Mitglied im Syrischen Nationalrat (SNC), mit Sitz in Istanbul. Ahma ist außerdem Mitglied der Berliner Grünen. In seiner Funktion als Mitglied des SNC forderte er bei Phoenix am 30. Mai 2012 härtere Sanktionen gegen Syrien, die auch einen Militärschlag nicht ausschließen sollten[2]. Bereits Anfang letzten Jahres forderte er die Einrichtung einer Flugverbots- und Sicherheitszone an der syrisch-türkischen Grenze. Ahma stellte sich in einem Interview mit dem Deutschlandradio am 3. Dezember 2012 an die Seite der neu gegründeten Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte: »Von daher sollte auch die EU, aber auch die Amerikaner und andere große Mächte schnellstmöglich diese Koalition anerkennen und jegliche Unterstützung anbieten.« Die Nationale Koalition wurde am 11. November 2012 in Doha, Katar gegründet. Die Lokalen Koordinierungskomitees (LCC) unterstützen die Nationale Koalition und sehen sie als »als einzige Repräsentantin des syrischen Volkes in seinem Kampf für Freiheit«[3]. Sowohl die LCC als auch die SRGC, das andere Partner-Netzwerk von Adopt a Revolution, sind in der Nationalen Koalition vertreten. Die Sprecherin der SRGC, Suhair al Atassi, ist die Vizepräsidentin der Nationalen Koalition. Von der Türkei, der EU und den USA wurde die Nationale Koalition als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannt. Wie bereits im Syrischen Nationalrat spielen auch in der Nationalen Koalition die Muslimbrüder eine wichtige Rolle. Eine führende Rolle spielt darin auch der syrische Oppositionelle Riad Seif. Der Unternehmer Seif hat bereits an Vorbereitungstreffen der Arbeitsgruppe »Wirtschaftlicher Wiederaufbau der Freundesgruppe des Syrischen Volkes« im Auswärtigen Amt teilgenommen. Im Rahmen eines deutsch-amerikanischen Projekts mit dem Titel »The Day After« plant die Arbeitsgruppe bereits den »wirtschaftlichen Wiederaufbau« Syriens nach den Interessen des westlichen Kapitals. Die Nationale Koalition ist auf Bestreben der USA und der arabischen Golfstaaten gegründet worden. Der Syrische Nationalrat war von US-Außenministerin Hillary Clinton als nicht repräsentativ genug angesehen worden[4].

Auch Mitglied im Beirat von Adopt a Revolution ist Hozan Ibrahim, ein Vertreter der Lokalen Koordinierungskomitees (LCC) und Mitglied im Generalsekretariat des Syrischen Nationalrates (SNC). Seit 2011 ist er in Deutschland und tritt bei verschiedensten Veranstaltungen zur Lage in Syrien auf, sowohl bei der Konrad Adenauer Stiftung in Hannover als auch im linken Café Größenwahn in der K9 in Berlin-Friedrichshain. Der Financial Times Deutschland sagte Ibrahim Anfang März 2012: »Die politischen Mittel sind ausgeschöpft« und »Wir haben uns mehr vom Westen erwartet«[5].

Die Initiative Adopt a Revolution zeichnet sich insgesamt durch eine politische Beliebigkeit und Widersprüchlichkeit aus. Zum einen verurteilt sie ein militärisches Eingreifen, gleichzeitig fordern Mitglieder des Beirats von Adopt a Revolution offensiv eine militärische Intervention. In der ersten Kampagnen-Zeitung von Adopt a Revolution finden sich sowohl Zitate von Claudia Roth von den Grünen, von Günter Gloser von der SPD als auch von der Interventionistischen Linken. Günter Gloser und Claudia Roth haben am 14. Dezember 2012 übrigens beide für den Patriot-Einsatz der Bundeswehr gestimmt. Damit dürfte Adopt a Revolution allerdings keine großen Probleme haben, schließlich sitzen im Beirat von Adopt a Revolution ja ebenfalls Kriegsbefürworter. Der Patriot-Einsatz der Bundeswehr in der Türkei wird von Adopt a Revolution nicht weiter kommentiert. Kritische Stellungnahmen oder gar ein Aufruf zu Protesten gegen die Kriegsbeteiligung der BRD finden sich auf ihrer Website oder in ihrer Zeitung nicht. Stattdessen ist Adopt a Revolution darum bemüht die Friedensbewegung zu diffamieren und ihr mangelnde Solidarität mit den SyrerInnen vorzuwerfen. In ihrer ersten Kampagnen-Zeitung heißt es: »Selbst wenn es nach einem Jahr Aufstand nicht einmal die geringsten Anzeichen einer Nato-Intervention gibt, haben Teile der Friedensbewegung schon mal präventiv auf Solidarität mit den SyrerInnen verzichtet«[6].

Internationale Solidarität ist einer der Grundsätze der linken Bewegung. Solidarität mit den Kämpfenden gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Imperialismus, Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat ist von zentraler Bedeutung. Dabei gilt es aber die eigenen politischen Positionen nicht einfach über Bord zu werfen. Solidarität ist nicht beliebig, sondern bezieht sich auf politische Kräfte, die sich dem linken politischen Spektrum zugehörig fühlen. Solche Kräfte gibt es in Syrien. Für uns stellen insbesondere die demokratischen Selbstverwaltungstrukturen der KurdInnen einen positiven Bezugspunkt dar. Diese Kräfte werden von Adopt a Revolution zwar hin und wieder erwähnt, die zentralen politischen PartnerInnen stellen aber wie bereits gezeigt andere dar. Während in der ersten Kampagnen-Zeitung das Nationale Koordinationskomitee für demokratischen Wandel (NCC) noch als eine Säule des Widerstandes genannt wird, ist dies in der zweiten Ausgabe der Zeitung nicht mehr der Fall. Als drei Säulen des Widerstandes nennt Adopt a Revolution in ihrer zweiten Kampagnen-Zeitung – die im Dezember 2012 der taz, der jungle world und der Analyse und Kritik beilag – die Lokalen Basiskomitees, die Nationale Koalition und die Freie Syrische Armee (FSA). Dass es auch noch andere oppositionelle Kräfte außerhalb der Nationalen Koalition gibt, wird ausgeblendet.

Die FSA ist kein homogenes Gebilde, sondern besteht aus über 200 unterschiedlichen Gruppierungen mit zum Teil völlig verschiedenen politischen Ausrichtungen. Zudem sind viele aus dem Ausland nach Syrien gekommene KämpferInnen im Bürgerkrieg aktiv, die vor allem salafistischen und dschijadistischen Gruppen nahe stehen. Die bedeutendste Gruppe ist dabei die Al-Nusra-Front, die von den USA mittlerweile auf die Terrorliste gesetzt wurde. Der Vorsitzende der Nationalen Koalition hat die USA aufgefordert diese Entscheidung zu überdenken und der Vertreter der Muslimbrüder und Mitglied der Nationalen Koalition Mohamad Tayfur hat sie als falsch verurteilt. Die Opposition in Syrien ist insgesamt schwer zu überblicken und politisch äußerst heterogen. Statt einer pauschalen Solidaritätserklärung mit allen die gegen Assad kämpfen, ist deshalb ein differenzierter Blick notwendig.

Wir sind solidarisch mit denjenigen, die sich sowohl gegen das Assad-Regime, gegen reaktionäre islamistische Kräfte als auch gegen eine militärische Intervention stellen. Dazu gehören die im Nationalen Koordinationskomitee für demokratischen Wandel (NCC) zusammengeschlossenen Organisationen, Parteien und Einzelpersonen. Im NCC ist auch die größte kurdische Partei der Demokratischen Union (PYD) vertreten, die in Westkurdistan Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut hat, welche von islamistischen Banden mit Unterstützung der türkischen Regierung massiv angegriffen werden. Das Nationale Koordinationskomitee für demokratischen Wandel ist an der Nationalen Koalition nicht beteiligt. Seine Positionen werden in den Mainstream-Medien größtenteils ignoriert oder verfälscht dargestellt. Deshalb ist es umso wichtiger ihre Sichtweise bekannt zu machen und gegen jede Form der imperialistischen Intervention aktiv zu werden.

Eine Politik wie sie von Adopt a Revolution betrieben wird, riskiert in verantwortungsloser Weise, pro-imperialistische und klerikal-faschistische Kräfte zu unterstützen, da sie sämtliche bestehenden politischen Widersprüche dem Ziel des Sturzes von Assad unterordnet. Mit Kräften, die den neoliberalen Umbau Syriens gutheißen und mit den Herrschenden der imperialistischen Zentren zusammenarbeiten, ist ein gemeinsamer Kampf jedoch nicht möglich. Wir hoffen deshalb weiterhin auf eine kritische Auseinandersetzung mit Adopt a Revolution in weiteren Teilen der Linken.


Die Stellungnahme wird unterstützt von: Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin, Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart, Internationale KommunistInnen, Kampagne Tatort Kurdistan, Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart, Projekt Revolutionäre Perspektive Hamburg, Revolutionäre Aktion Stuttgart, Revolutionäre Perspektive Berlin, SDAJ Berlin, Sozialistische Linke Berlin

 

Einzelnachweise

  1. Stellungnahme vom Komitee für Grundrechte und Demokratie
  2. Phoenix-Interview auf YouTube
  3. Erklärung der Lokalen Koordinationskomitees vom 11. November 2012
  4. Zeit-Artikel vom 5. November 2012
  5. Artikel der Financial Times Deutschland vom 13. März 2012
  6. Zweite Kampagnen-Zeitung von Adopt a Revolution als PDF

Tags: Internationalismus, Krieg, Syrien

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